Boris Wassiljewitsch Spasski
Boris Wassiljewitsch Spasski (russisch Борис Васильевич Спасский, wiss. Transliteration Boris Vasil'evič Spasskij; * 30. Januar 1937 in Leningrad (heute Sankt Petersburg)) ist ein in Frankreich lebender russisch-französischer Schachspieler und der 10. Schachweltmeister in der Geschichte des Schachs.
Leben
Jugend
Spasski lernte Schach bereits frühzeitig: als 9-Jähriger trat er der Schachsektion im Leningrader Pionierpalst bei. Sein enormes Talent wurde sofort erkannt und staatlich gefördert. Neben der Bereitstellung eines angesehenen Trainers (Wladimir Zak) erhielt Spasski ein monatliches Stipendium. Bereits als 10-Jähriger errang er den sowjetischen Spielgrad der 1. Kategorie, als 11-Jähriger gewann er die Meisterschaft seiner Schachsektion. 1952 nahm er am Halbfinale zur UdSSR-Meisterschaft in Riga teil und errang 50 Prozent der möglichen Punkte. Im gleichen Jahr wurde er Zweiter bei der Leningrader Meisterschaft.
Seine Erfolge veranlassten den sowjetischen Schachverband, ihn 1953 zu seinem ersten internationalen Turnier nach Bukarest zu entsenden. Spasski teilte Platz 4 bis 6 und erhielt daraufhin, als 16-Jähriger, von der FIDE den Titel Internationaler Meister verliehen.
Jugendweltmeister und Großmeister
Seine Erfolgsserie riß nicht ab: 1954 gewann er das angesehene Turnier der jungen sowjetischen Meister in Leningrad und wurde im Halbfinale zur 22. UdSSR-Meisterschaft Vierter, was ihn zur UdSSR-Meisterschaft 1955 qualifizierte. Bei der UdSSR-Meisterschaft, die zugleich ein Zonenturnier der FIDE war, gelangte Spasski auf den geteilten 2. bis 6. Platz und qualifizierte sich für das Interzonenturnier. Im gleichen Jahr wurde Spasski in Antwerpen Jugendweltmeister und nahm in Göteborg am Interzonenturnier teil, bei dem er auf den geteilten 7. bis 9. Platz gelangte und sich somit für das Kandidatenturnier in Amsterdam 1956 qualifizierte. Für seine Erfolge verlieh ihm die FIDE 1956 den Titel eines Großmeisters.
Jahre der Stagnation
Sein geteilter 3. bis 7. Platz im Amsterdamer Kandidatenturnier war gleichfalls ein großer Erfolg für den 19-Jährigen, doch ein weiterer großer Sieg blieb ihm in den nächsten Jahren versagt. Zwei mal (1958 und 1961) verlor er, jeweils in Führung liegend, seine Letztrundenpartie bei UdSSR-Meisterschaften. Er gewann zwar die 29. UdSSR-Meisterschaft 1961, doch war diese kein Zonenturnier der FIDE. Erst durch einen geteilten 1.-4. Platz beim Zonenturnier der UdSSR 1964 konnte er sich wieder für das Interzonenturnier qualifizieren. Beim im gleichen Jahr in Amsterdam ausgerichteten Interzonenturnier teilte er ebenfalls den 1.-4. Rang.
Der erste Anlauf auf den Weltmeisterthron
Sein Erfolg berechtigte ihn zur Teilnahme am Kandidatenturnier 1965, das erstmals in Wettkampfform ausgerichtet wurde. Er traf im Viertelfinale auf Paul Keres, den er mit 5-3 (+4-2=4) ausschaltete, im Halbfinale schlug er Efim Geller noch deutlicher 5,5-2,5 (+3-0=5) und gewann das Finale gegen Ex-Weltmeister Michail Tal mit 7-4 (+4-1=6).
Seinen ersten Wettkampf um die Schachweltmeisterschaft verlor er 1966 gegen Tigran Petrosjan knapp mit 11,5-12,5 (3 Siege, 4 Niederlagen, 17 Unentschieden). Spasski stand für den nächsten WM-Zyklus der erneute Gang durch die Kandidatenkämpfe bevor. Als Verlierer des WM-Kampfes war er für das Kandidatenturnier 1968 vorberechtigt. Im Viertelfinale traf er erneut auf Efim Geller, den er mit dem gleichen Resultat wie 1965 schlug: 5,5-2,5 (+3-0=5). Im Halbfinale besiegte er den Dänen Bent Larsen 5,5-2,5 (+4-1=3), im Finale schließlich den Leningrader Viktor Kortschnoi 6,5-3,5 (+4-1=5) und wurde erneut Herausforderer von Tigran Petrosjan.
Weltmeister 1969 bis 1972
Im Weltmeisterschaftskampf 1969 erwies sich Spasski als bedeutend besser vorbereitet. er besiegte Petrosjan mit 12,5-10,5 (6 Siege, 4 Niederlagen, 13 Unentschieden) und wurde der 10. Schachweltmeister in der Geschichte.
Am 1. September 1972 verlor er den Titel in Reykjavik gegen Bobby Fischer (3 Siege, 6 Niederlagen, 11 Unentschieden), gegen den er bis dahin eine positive Bilanz hatte. Durch seine Niederlage im durch die Massenmedien zum Wettkampf der Systeme (Match des Jahrhunderts) hochstilisierten Match mit dem US-Amerikaner fiel Spasski in der Heimat in Ungnade. Ihm wurde vorgeworfen, seinen Titel leichtfertig durch schlechte Vorbereitung verspielt zu haben. In Reykjvik standen Spasski zahlreiche sowjetische Großmeister als Helfer zur Verfügung, während Fischer keinen Sekundanten oder Mitarbeiter akzeptierte. Spasski rehabilitierte sich 1973 durch einen Sieg bei der 41. UdSSR-Meisterschft.
Letzte Kandidatenkämpfe
1974 scheiterte er im Halbfinale der Kandidatenkämpfe gegen den jungen Spitzenspieler Anatoli Karpow, der 1975 nach Fischers Rückzug vom Schach der 12. Weltmeister wurde. 1977 verlor Spasski das Kandidatenfinale gegen Viktor Kortschnoi und 1980 bereits im Viertelfinale (gegen Lajos Portisch). Spasski unternahm bis auf das Kandidatenturnier von Montpellier 1985 (6.-7. Platz) keine weiteren Versuche, sich erneut für einen Weltmeisterschaftskampf zu qualifizieren.
Seit 1976 lebt er in Frankreich und nahm auch die französische Staatsbürgerschaft an. Er spielte für seine neue Heimat an den Schacholympiaden 1984, 1986 und 1988.
Für Solingen in der Schachbundesliga
Spasski bereicherte durch sein Engagement bei der Solinger SG 1868 auch das deutsche Schachleben. Er spielte für die Solinger seit Einführung der eingleisigen Schachbundesliga von der Saison 1980/1981 bis 1989/1990 und wurde mit den Klingenstädtern 1981, 1984, 1987 und 1988 Deutscher Mannschaftsmeister. 1991 half er seinem deutschen Klub bei der Erringung des Europapokals für Vereinsmannschaften.
1992 spielte er einen Schaukampf gegen Bobby Fischer, den er mit 12,5-17,5 verlor. Seitdem spielt er nur noch selten Turniere.
Stil
Spasski galt als einer der begabtesten Spieler überhaupt. Zu seiner besten Phase, Ende der 50er und über die ganzen 60er Jahre hinweg war er als ein besonders feiner Angriffsspieler gefürchtet, der aber auch alle anderen Phasen der Partie ausserordentlich präzise behandelte. In der damaligen Sowejtunion prägte man infolge Spasskis Schachstil den Begriff Universalstil, der als geradezu höchste Auszeichnung für die Spielweise eines Meister galt. Nachdem er sein Ziel erreichte und Weltmeister geworden war, fehlte ihm allerdings der unbedingte Wille, sein Potential voll auszuschöpfen.
Popularität
Eine der brillantesten Schachpartien, die Spasski je gewann, ist in die Filmgeschichte eingegangen: Im James Bond-Film From Russia With Love (1963) gibt es eine Sequenz (mit der Figur Großmeister Kronsteen) in der zwei Schachmeister einander am Brett gegenüber sitzen. Auf dem Brett ist die entscheidende Position aus Spasski-Bronstein, UdSSR-Meisterschaft 1960, aufgestellt, in der Spasski den Gewinnzug ausführte.
Seine ELO-Zahl beträgt 2548 (Stand April 2005)
Partien
Schachweltmeister (Nahschach): Wilhelm Steinitz | Emanuel Lasker | José Raúl Capablanca | Alexander Aljechin | Max Euwe | Michail Botwinnik | Wassili Smyslow | Michail Tal | Tigran Petrosjan | Boris Spasski | Robert James Fischer | Anatoli Karpow | Garri Kasparow | Alexander Chalifman | Viswanathan Anand | Ruslan Ponomarjow | Rustam Kasimjanov | Wladimir Kramnik (Braingames-WM seit 2000) | Wesselin Topalow (FIDE-WM seit 2005) |