Howard Staunton
Howard Staunton (* 1810 in London; † 22. Juni 1874 in London) war ein bedeutender Schachspieler der 19. Jahrhunderts, Schachjournalist und Shakespeare-Forscher. Er galt zwischen 1843 und 1851 als stärkster Schachspieler der Welt.
Geboren als unehelicher Sohn des Grafen von Carlisle, wächst er in ärmlichen Verhältnissen auf und erlernt das Schachspiel erst mit 20 Jahren, relativ spät für einen großen Schachmeister. Erst ab 1830 taucht er in den Londoner Schachclubs auf. Zuvor ist er als Schauspieler aktiv und tritt mit dem großen englischen Schauspieler Kean in einem Theaterstück von William Shakespeare auf, dessen Werk er während seines ganzen Lebens erforscht.
Staunton beschäftigt sich gründlich mit dem Studium der Eröffnungstheorie, was seine beachtlichen Erfolge auf dem Schachbrett beschleunigt. Er wird zu einem glänzenden Analytiker und wendet als Erster die Eröffnung 1. c2-c4 an, die als Englische Eröffnung in die Schachgeschichte eingeht. Seinen Namen erhält auch eine Variante der Holländischen Verteidigung, das "Staunton-Gambit".
Staunton wird schnell zu einem der besten Schachspieler Europas. 1843 fordert er im berühmten Pariser Schachcafé "Café de la Regence" den französischen Meister Pierre St. Amant zu einem Wettkampf heraus. Von 21 Partien gewinnt er 11, verliert 6 und spielt 4 unentschieden. Danach gilt er als stärkster Spieler der Welt.
Ab 1841 gibt Staunton die Schachzeitung "The Chess Players Chronicle" heraus und leitet sie bis 1852. Es ist erst die zweite Schachzeitung nach der französischen "Le Palamède". Ab 1845 schreibt Staunton auch die Schachrubrik in der "Illustrated London News". Hier berichtet er über das sich entwickelnde Schachleben in aller Welt und publiziert Abhandlungen und Partien, meistens seine eigenen Gewinnpartien. Diese Schachrubrik gilt bald über die Grenzen Großbritanniens hinaus als wertvolle Informationsquelle.
Außerdem veröffentlichte er 1847 ein einflussreiches Lehrbuch, The Chess-Player's Handbook.
Die von ihm empfohlene Form von Schachfiguren (Staunton-Figuren) wird heute bei fast allen offiziellen Turnieren verwendet.
Große Verdienste erwirbt sich Howard Staunton auch dadurch, dass aufgrund seiner Bemühungen 1851 in London das erste große internationale Schachturnier zustande kommt. Er fordert Schachfreunde in England und den Kolonien zu Spenden auf und liefert damit die finanzielle Basis für das Turnier. Dem Organisationskomitee gehören führende Persönlichkeiten der Londoner Gesellschaft an. Der wohlhabende Schachklub St.George richtet Einladungen an die führenden Schachmeister Europas. Das Turnier hat schließlich 16 Teilnehmer, darunter auch der deutsche Meister Adolf Anderssen und der französische Meister Lionel Kieseritzky. Staunton, zuvor als Favorit gehandelt, verliert gegen Anderssen, der überraschend das Turnier gewinnt. Staunton wird nur Vierter. Bedenkzeiten von 12 bis 16 Stunden pro Partie sind in diesem Turnier üblich, da noch ohne Schachuhr und ohne Zeitbeschränkung gespielt wird.
Diesen Misserfolg kann Staunton nicht verkraften. In seiner Zeitschrift setzt er seine Gegner herab und führt eine angebliche Krankheit als Entschuldigung an.
1853 verliert Staunton einen Wettkampf gegen von der Lasa und zieht sich danach aus der internationalen Schachszene zurück. Als der neue aufgehende Stern am Schachhimmel, Paul Morphy aus den USA, ihn 1858 zu einem Wettkampf auffordert, weicht er aus.
1874 stirbt Staunton in London an einem Herzschlag.
Literatur
- Raymond Keene und Richard N. Coles: Howard Staunton, the English world chess champion. St. Leonards on Sea 1975. ISBN 0900846194