Nimzowitsch-Indische Verteidigung
Bei der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung (auch Nimzo-Indische Verteidigung) handelt es sich um ein Eröffnungssystem des Schachspiels. Die Nimzowitsch-Indische Verteidigung zählt zu den Geschlossenen Spielen.
Inhaltsverzeichnis
Eröffnungszüge
Die Nimzowitsch-Indische Verteidigung beginnt mit den Zügen
- 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 e7-e6 3.Sb1-c3 Lf8-b4
FEN: rnbqk2r/pppp1ppp/4pn2/8/1bPP4/2N5/PP2PPPP/R1BQKBNR b kq - 0 0|size=big,coords=1|Nimzowitsch-Indische Verteidigung (Stellung nach dem 3. Zug von Schwarz)
Geschichte
Dieses Eröffnungssystem ist eines der wichtigsten Vermächtnisse des großen Theoretikers und Strategen Aaron Nimzowitsch an die Schachwelt. Ihr Debüt hatte die Nimzowitsch-Indische Verteidigung 1914. In den Turnieren der 1920er Jahre reifte sie allmählich zu dem weitverzweigten heutigen Eröffnungssystem.
Strategische Grundidee
Ihrer Grundidee nach ist die Verteidigung ein typisches Kind des 20. Jahrhunderts: Statt das Zentrum direkt mit Bauern zu besetzen, hemmt und blockiert Schwarz es mit anderen Mitteln, von den Flügeln her. Der Läufer auf b4 fesselt und neutralisiert den weißen Springer, der sonst einen Bauernvormarsch im Zentrum unterstützen könnte. Der Bauer auf e6 und der Springer auf f6 hemmen den weiteren Vormarsch des weißen Damenbauern, ferner hemmt der Springer auf f6 die weitere Besetzung des Zentrums durch e2-e4.
Schwarz sucht die Asymmetrie, das aktive, eigenständige Gegenspiel. Im späteren Verlauf des Spiels wird er versuchen, je nach Spielsituation das gehemmte weiße Zentrum direkt anzugreifen oder einen direkten Angriff und Durchbruch an einem der beiden Flügel zu erzielen.
Nimzowitsch selbst nannte diese Eröffnung Ideelles Damengambit. Damit wollte er wohl zum Ausdruck bringen, dass das weiße Zentrum so wirksam gehemmt wird, als ob der schwarze Damenbauer im Zentrum stünde, jedoch ohne die Nachteile, die Schwarz als Nachziehender in der symmetrischen Bauernformation des Damengambits naturgemäß hat.
Systeme innerhalb der Nimzowitsch-indischen Verteidigung
Klassisches System
In diesem System, das in den 1930er- und 1940er-Jahren populär war, spielt Weiß zunächst auf Sicherheit. Es ist gekennzeichnet durch den Zug 4. Dc2 und kann beispielsweise zu folgenden Varianten führen:
- 4.Dc2 d5 5.a3 Lc3 6.Dc3 Se4 7.Dc2 Sc6 8.e3 e5 9.cd Dd5 10.Lc4 Da5 11.b4 Sb4 12.De4 Sc2 13.Ke2 De1 14.Kf3 Sa1 15.Lb2 0-0
- 4.Dc2 d5 5.a3 Lc3 6.Dc3 Se4 7.Dc2 c5 8.dc Sc6
- 4.Dc2 c5 5.dc 0-0
Lange Jahre galt dieses System als langweilig und remisträchtig, doch neue Ideen, unter anderem von Weltmeister Garri Kasparow, verbunden mit scharfen Angriffen unter Opfern, belebten es und machten es wieder zu einer der beliebtesten Optionen für Weiß.
Rubinstein-System
Akiba Rubinsteins Zug 4. e2-e3 befestigt das Zentrum. Verbunden mit 5. Sg1-e2 verhindert er das Zustandekommen eines weißen Doppelbauern auf c3 und sichert langfristig die weiße Entwicklung vom Königsflügel her. Der Nachteil dabei ist, dass Schwarz nicht von vornherein unter Druck gesetzt wird und so Gelegenheit bekommt, in Ruhe sein eigenes Spiel aufzubauen.
Mögliche Varianten im Rubinstein-System sind beispielsweise:
- 4.e2-e3 0-0 5.Sg1-f3
- 4.e2-e3 0-0 5.Sg1-f3 d5 6.Ld3 c5 7.0-0 dc 8.Lc4
- 4.e2-e3 0-0 5.Sg1-f3 d5 6.Ld3 c5 7.0-0 Sc6 8.a3
Das Rubinstein-System genießt seit den 1920er-Jahren eine konstant gute Reputation. Es ist eine sehr gute Option für Spieler, die mit Weiß lieber den langfristigen positionellen Vorteil statt eines scharfen Angriffsspiels suchen. Es ist beispielsweise eine beliebte Waffe von Weltmeister Anatoli Karpow.
Hübner-System
In den 1970er Jahren entwickelte Robert Hübner als Gegenmittel gegen das Rubinstein-System ein Blockade-System, das durch den schwarzen Gegenzug 4. c7-c5 eingeleitet wird. In den drei Dekaden, die seitdem verstrichen sind, gelang es Weiß nicht, den schwarzen Spielaufbau nachhaltig zu erschüttern und zu widerlegen.
Sämisch-System
Friedrich Sämischs Zug 4. a2-a3 fordert den Läufer auf b4 unmittelbar heraus. Schwarz tauscht mit 4. ... Lb4xc3 5. bxc3 den weißen Springer gegen den Läufer. Weiß bekommt ein kompaktes Zentrum und das Läuferpaar, was er im entstehenden Kampf für ein scharfes Angriffsspel zu nutzen versucht. Er hat jedoch den Nachteil des Doppelbauern auf c3. Schwarz versucht sich dies zu Nutze zu machen, indem er in der Folge rasch seine Figuren entwickelt und das weiße Zentrum mit Zügen wie c7-c5 und d7-d5 weiter hemmt und aktiv angreift.
Leningrader System
Im Leningrader System beantwortet Weiß die Fesselung seines Springers mit der Gegenfesselung 4. Lc1-g5. Es ist eine interessante Möglichkeit, Schwarz aus dem Konzept zu bringen, weil sich das Spiel ganz anders entwickelt als in den anderen Systemen der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung. Die Chance von Schwarz besteht darin, mit 4. ... h7-h6 5. Lg5-h4 den weißen Läufer abzudrängen, so dass er am Damenflügel nicht mehr eingreifen kann, und dann am Damenflügel den Angriff zu suchen.
Andere Systeme
Das Faszinierende an der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung ist die Unzahl an Möglichkeiten, die sie beiden Seiten bietet. Der kreative Schachfreund kann sich seine eigenen, wenig erforschten Wege abseits der Hauptpfade suchen und damit erfolgreich sein. Unter anderem bieten sich noch folgende Alternativen an:
- Das Fianchetto-System mit 4. g2-g3 war in den 1980er Jahren sehr populär, führte aber letztlich zu keinen nachhaltigen Erfolgen für Weiß. Ähnlich wie seinerzeit das klassische System, ist es heutzutage aus der Mode gekommen und harrt der Wiederbelebung durch neue Ideen.
- Rudolf Spielmann war ein großer, risikofreudiger Angriffsspieler. Sein Zug 4. Dd1-b3 ist eine interessante Möglichkeit für Spieler, die in seinem Geiste spielen wollen.
Quellen
- Aaron Nimzowitsch, Mein System, (ISBN 3880860734)
- Nick de Firmian (Herausgeber), Batsford's Modern Chess Openings, S. 511ff, (ISBN 0-7134-8656-2)